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radioeins-Beitrag oder auch: Willkommenskultur heißt Bleiberecht für Alle!

Über das ehrenamtliche Engagement mit Geflüchteten hier vor Ort ist vor etwa einem Monat ein Beitrag bei radioeins gesendet worden, hier kann er angehört werden.

Wir möchten das nutzen, um einige Worte zu dem staatlichen Umgang mit der sogenannten „Flüchtlingskrise“ zu verlieren.
Während sich die Brandenburgische Regierung auf ihrer „Integrationskonferenz“ selbst applaudiert, ist auch hier wie überall sonst der staatliche Umgang mit Geflüchteten und mit den Menschen, die sich mit ihnen engagieren, mehr als mangelhaft und das sehen auch die meisten Willkommensinitiativen Brandenburgs so.

Das im Grundgesetz garantierte Recht auf Asyl verkommt zur Wohlfahrtsgefälligkeit: Der Großteil des Engagements ist rein ehrenamtlich. Wenn die unentgeltlich Tätigen keine Zeit hätten oder schließlich ihr Engagement wegen Überlastung einstellen müssen, wird es schwer mit einer menschenwürdigen „Willkommenskultur“.

Auf staatlicher Seite wird auf diese Weise viel gespart und damit das alles nicht ganz so offensichtlich ist, wird gern von „Flüchtlingswellen“ und von einer „Krise“ gesprochen. Das lenkt ganz gut davon ab, dass in dieser „Krise“ wenig getan und die Arbeit zu sehr großen Teilen Ehrenamtlichen überlassen wird: Wenn der Staat so gut wie nichts macht, erscheint er eben schnell überlastet.

Dabei gibt es genug Bedarf für Fertigkeiten, die auch durch hochmotiviertes Engagement schwer ersetzt werden können, wie z.B. Kenntnisse in der Traumatherapie.
Stattdessen werden öffentliche Mittel verwendet, um Geflüchtete, so effizient es geht, als Menschenmaterial zu verwalten und mit Sammelabschiebungen wieder loszuwerden.
Die Asylgesetzgebung wird verschärft, aber für die Medien lassen sich die Verantwortlichen mit Geflüchteten abbilden und sprechen von „Integration“, während weiterhin fleißig abgeschoben wird – zynischer geht es kaum noch:
Integrations-Vorzeige-Familie aus Werbefilm für niedersächsisches Innenministerium? – Abgeschoben.
Syrische Familie, die Sachsens Innenminister medienwirksam besucht? – Abgeschoben.
Die Kinder sind Integrationspreisträger des Landes Sachsen-Anhalt, die geplante Abschiebung soll nochmal von einer Härtefallkommission geprüft werden? Gar nicht erst lang gewartet, flink abgeschoben.

Doch egal ob gut integriert oder besonders hilfsbedürftige Härtefälle: Es fragt sich ja, wieso es überhaupt möglich ist, Menschen den Aufenthalt in einem Land zu verweigern. Oder andersherum gefragt: Wie soll das Menschenrecht, das Geburtsland jederzeit verlassen zu können (Art. 13 AEMR oder rechtsverbindlicher: Art. 12 UN-Zivilpakt), umgesetzt werden, wenn alle anderen Länder „Nein, hier nicht“ sagen können?

Es muss sich also noch sehr vieles ändern, und zwar nicht nur vor Ort (womit wir wieder bei dem Radiobeitrag wären), sondern vor allem auch in den Zentren der Herrschaft, die von „Menschenrechte“ reden, ohne sie auch nur ansatzweise umzusetzen – sondern stattdessen lieber an Hand der Kopfform (!) festlegen, woher Menschen ihrer Meinung nach stammen.

Es braucht eine normale Unterbringung in Wohnungen, kein Zusammenpferchen in Lagern!
Die Möglichkeit, Familien nachzuholen, keine Sammelabschiebungen und kein Aufrüsten oder Schließen der EU-Außengrenze!
Unterstützung und überhaupt erst die Ermöglichung der Selbstorganisation von Geflüchteten, keine Reglementierung wie z.B. Besuchsverbote!
Bewegungsfreiheit und Bleiberecht für alle, keine Abschiebungen!
Das wäre menschenwürdig. Alles andere ist lediglich Heuchelei.

Projekt: Solidarität mit den Geflüchteten – Kein Mensch ist illegal!

Seit einigen Monaten sind mehr als 70 Asylsuchende in einer Unterkunft im Industriegebiet in Brück untergebracht. Abgeschieden vom Rest der Bevölkerung, mit nur wenigen Fahrrädern und ohne Internet ist es für diese Menschen nicht leicht, sich aktiv in die Region zu integrieren. Natürlich kommen die Ängste und Unsicherheiten des Asylverfahrens, mangelnde Sprachkenntnisse und die oft negativen Erfahrungen auf der Flucht hinzu.
Vor dem Hintergrund der vielen gewaltsamen Konflikte und globaler Ungerechtigkeit finden wir, dass es selbstverständlich sein sollte, diese Menschen mit offenen Armen willkommen zu heißen. Anstatt die Angst vor einer halluzinierten „Bedrohung“ durch die schutzsuchenden Menschen zu schüren, wollen wir ihnen als Menschen begegnen und die Bereicherung sehen, welche damit einhergeht. Nicht zuletzt ist es oft die neokoloniale und kriegstreiberische Politik der „westlichen“ Staaten, welche viele der globalen Krisen erschafft und befeuert – und die mörderische Abschottungspolitik der EU, welche Tausende an den Grenzen sterben lässt.
Im Anbetracht der aktuellen Situation und in Erwartung weiterer Asylsuchender, die im Landkreis untergebracht werden sollen, wollen wir von der Mühle in Kontakt treten zu allen Menschen und Initiativen, die sich aktiv mit den Geflüchteten vernetzen und diese in dieser schwierigen Lebenslage unterstützen wollen. In vielen Dingen kann ein starkes Solidaritätsnetzwerk in der Bevölkerung für diese Menschen eine große Unterstützung sein und ihr Leben in Brück und Umgebung erleichtern – und auch wir sehen in diesem Austausch eine große Bereicherung.
Es bestehen diverse Initiativen: Ein Komitee der Bewohner*innen der Unterkunft in Brück wird gemeinsam mit der Organisation refugee emancipation und der Mühle nach Möglichkeiten für ein selbstorganisiertes Internetcafé suchen. Es beginnt eine regelmässige Fahrradwerkstatt, welche einerseits bei der Instandhaltung der bereits bestehenden Fahrräder helfen und andererseits weitere Räder gemeinsam mit den Menschen aus der Unterkunft zusammenbauen wird. Und es gibt noch viele weitere Ideen, auf welche Weise praktische Solidarität organisiert werden kann.
Auf der Mühle werden ab jetzt Sachspenden entgegengenommen, welche für die Geflüchteten bestimmt sind und sie in ihrem Alltag unterstützen sollen.

Meldet euch bei uns, wenn ihr mitmachen wollt oder Ideen habt! Jede Hilfe ist willkommen.

SAY IT LOUD, SAY IT CLEAR: REFUGEES ARE WELCOME HERE!